Genderwatch-Protokoll: Unterschied zwischen den Versionen

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(Ausführung des Hintergrundes des Genderwatch-Protokolles und Erklärung der Anwendung)
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Mit dem Genderwatch-Protokoll kann Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass sich nicht alle Menschen zu gleichen Teilen an Diskussionen etc. beteiligen und dass gewaltige Koorelationen zwischen gelesenem Geschlecht (Gender) und Beteiligung bestehen. Dadurch ist es es auch ein Werkzeug, um den Fortschritt zu einer ausgeglichenen Beteiligung zu messen, falls dies als Ziel gesetzt wird.
 
Mit dem Genderwatch-Protokoll kann Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass sich nicht alle Menschen zu gleichen Teilen an Diskussionen etc. beteiligen und dass gewaltige Koorelationen zwischen gelesenem Geschlecht (Gender) und Beteiligung bestehen. Dadurch ist es es auch ein Werkzeug, um den Fortschritt zu einer ausgeglichenen Beteiligung zu messen, falls dies als Ziel gesetzt wird.
  
Weshalb diese Koorelationen bestehen und was die Schlussfolgerungen daraus sein  
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== Deutungsansätze ==
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Weshalb diese Koorelationen bestehen und was die Schlussfolgerungen daraus sein sollten, ist kontrovers. Hier sollen lediglich einige Gedankenpunkte vermittelt werden; die Ansätze sind nicht auf Vollständigkeit bedacht.
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=== Sozialisierung ===
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Ein nicht unbedeutender Teil des Effektes lässt sich vermutlich der Sozialisierung zuweisen: Menschen werden durch die Gesellschaft Rollenbildern zugewiesen und nach diesen erzogen, ausserdem identifizieren sie sich mit ähnlichen Menschen und gleichen sich diesen an. Bei diesem Deutungsansatz ist die Koorelation die Folge der sich nur langsam verändernden gesellschaftlichen Sozialisierungsmechanismen, welche während der zunehmenden Gleichstellung unterschiedlicher Gesellschaftsgruppen (insbesondere Frauen*) sich zwar anpassen, aber aufgrund der Gesellschaftsdynamik der juristischen Gleichstellung hinterherhinken.
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Das Ziel müsste folglich sein, die Veränderungen zu beschleunigen. Auf kleinem Massstab hiesse dies, die Sozialisierungen zu durchbrechen und beispielsweise Empowering durchzuführen. Empowering bedeutet, die zur Zurückhaltung sozialisierten Menschen dabei zu unterstützen, ihre Gedanken mehr wertzuschätzen und einzubringen. Menschen, die eher dominant sozialisiert wurden, sollten aufgefordert werden, sich an einer gesunden Diskussionskultur zu beteiligen, aber die Aufforderung zur Zurückhaltung ginge am eigentlichen Ziel vorbei, da das Ziel wäre, dass alle Perspektiven gehört werden (natürlich sollten Menschen, die übermässig viel Zeit für ihre Perspektive beanspruchen, konstruktiv darauf hingewiesen werden; eine allgemeine Aufforderung zur Zurückhaltung kann jedoch nichts bewirken, wenn keine empowerte Menschen den Raum für ihre Punkte zu nutzen vermögen).
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=== Charaktereigenschaften ===
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Der bisherige gesellschaftliche Deutungsansatz wäre es vermutlich, dass Frauen* und Männer* unterschiedliche grundlegende Charaktereigenschaften hätten. Ein darauf aufbauendes Modell beschreibt Charaktereigenschaften als spektral, wobei Frauen* und Männer* teilweise entgegengesetzte Tendenzen hätten (so kann eine Frau* durchaus auch eher Männern* zugewiesene Charaktereigenschaften haben und umgekehrt). Oftmals werden in der Gesellschaft aber die Extreme gelobt und Menschen positiv bewertet, wenn sie nahe dem geschlechtsspezifischen Extremum sind (und folglich negativ, wenn sie zum anderen Extremum neigen).
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Ein erstes Ziel wäre es bei diesem Ansatz, die Menschen mit ihrem Charakter zu akzeptieren. Je nachdem wäre es aber trotzdem das Ziel, dass alle Perspektiven angehört werden. Da beispielsweise introvertierte Menschen ihre Perspektive weniger geschickt vermitteln können, könnten sie durch Empowering besser darin werden, wodurch auch die Selbstsicherheit verstärkt würde. Ebenso sollten die Zuhörenden versuchen, die Perspektive trotz potentiell weniger Wortgewandheit zu verstehen. Dabei muss aber beachtet werden, dass ein Hauptproblem bei Diskussionen Missverständnisse aufgrund der zwangsläufig nötigen Interpretation ist. Folglich sollte genügend Zeit aufgewendet werden, Verständnisfragen zu besprechen. Ausserdem sollten abstrakte Begriffe gemeinsam definiert oder vermieden werden (falls sie zu schwammig sind).
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== Anwendung ==
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Wie wird nun ein Genderwatch-Protokoll verfasst? Grundlegend ist natürlich die Festhaltung der Redezeit von jeweils weiblich* gelesenen, männlich* gelesenen und sonstigen Menschen. Eine zusätzliche Aufteilung der Menschen in die Kategorie Moderation, Redner*innen (Menschen, die etwas vorstellen und nicht nur eine Wortmeldung äussern) und Basis kann helfen, die Diskussionskultur zu beurteilen: so ist es gut möglich, dass sich die Moderation und Redner*innen im Vorfeld ihre Punkte aufgeteilt haben und deshalb sehr ausgeglichen sind, aus der Basis aber grösstenteils Wortmeldungen von männlich* gelesenen Menschen kommen; dies insbesondere bei Zeitdruck oder genereller Ermüdung.
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Die Anzahl der Störungen (Zwischenrufe, Unterbrechungen etc.) kann auch interessant sein, ebenso die Wortwahl (ob beispielweise gendergerechte Sprache verwendet und "gewaltfrei" kommuniziert wird). Dabei sollte jeweils festgehalten werden; dies ebenso aufgeschlüsselt in die unterschiedlichen Kategorien.
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Es können auch weitere Unterteilungen vorgenommen werden: beispielweise können die Menschen den Auftrag erhalten, sich selbst auf der Skala Extrovertiert-Introvertiert in die fünf Kategorien [extrovertiert, eher extrovertiert, ambivalent, eher introvertiert, introvertiert] einzuschätzen und diese Einschätzung jeweils kundzutun. Dafür wäre eine Einführung vonnöten, um eine sinnvolle Einschätzung zu ermöglichen. Jede weitere Unterteilung ist aber auch mit Aufwand verbunden.
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Der Klimastreik Schweiz hat Zugriff auf ein Onlinetool, mit welchem die Aufzeichnung erleichtert wird. Für den Zugriff kann [https://de.climatestrike.ch/wiki/Benutzer:Raphael_B Raphael] kontaktiert werden. Ich empfehle jedoch, die Aufzeichnung von Hand mit einer Stoppuhr durchzuführen, da das Onlinetool gewisse Restriktionen hat und bei der Aufzeichnung jeweils zuerst die Einteilung des sich zu Worte meldenden Menschen vorgenommen werden muss, bevor die Zeitmessung beginnt. Dies ist sehr mühsam bei kürzeren Beiträgen; die Differenz muss manuell länger abgewartet werden, was sich schnell aufsummiert.
 
[[Kategorie:Wissen & Diskurs]]
 
[[Kategorie:Wissen & Diskurs]]

Version vom 26. Februar 2020, 13:15 Uhr

Mit dem Genderwatch-Protokoll wird erfasst, in welchem Verhältnis die Sprechzeit, Anzahl Wortmeldungen, Störungen & Unterbrechungen von weiblich gelesenen, männlich gelesenen und sonstigen Menschen zueinander stehen.

Nutzen

Mit dem Genderwatch-Protokoll kann Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass sich nicht alle Menschen zu gleichen Teilen an Diskussionen etc. beteiligen und dass gewaltige Koorelationen zwischen gelesenem Geschlecht (Gender) und Beteiligung bestehen. Dadurch ist es es auch ein Werkzeug, um den Fortschritt zu einer ausgeglichenen Beteiligung zu messen, falls dies als Ziel gesetzt wird.

Deutungsansätze

Weshalb diese Koorelationen bestehen und was die Schlussfolgerungen daraus sein sollten, ist kontrovers. Hier sollen lediglich einige Gedankenpunkte vermittelt werden; die Ansätze sind nicht auf Vollständigkeit bedacht.

Sozialisierung

Ein nicht unbedeutender Teil des Effektes lässt sich vermutlich der Sozialisierung zuweisen: Menschen werden durch die Gesellschaft Rollenbildern zugewiesen und nach diesen erzogen, ausserdem identifizieren sie sich mit ähnlichen Menschen und gleichen sich diesen an. Bei diesem Deutungsansatz ist die Koorelation die Folge der sich nur langsam verändernden gesellschaftlichen Sozialisierungsmechanismen, welche während der zunehmenden Gleichstellung unterschiedlicher Gesellschaftsgruppen (insbesondere Frauen*) sich zwar anpassen, aber aufgrund der Gesellschaftsdynamik der juristischen Gleichstellung hinterherhinken.

Das Ziel müsste folglich sein, die Veränderungen zu beschleunigen. Auf kleinem Massstab hiesse dies, die Sozialisierungen zu durchbrechen und beispielsweise Empowering durchzuführen. Empowering bedeutet, die zur Zurückhaltung sozialisierten Menschen dabei zu unterstützen, ihre Gedanken mehr wertzuschätzen und einzubringen. Menschen, die eher dominant sozialisiert wurden, sollten aufgefordert werden, sich an einer gesunden Diskussionskultur zu beteiligen, aber die Aufforderung zur Zurückhaltung ginge am eigentlichen Ziel vorbei, da das Ziel wäre, dass alle Perspektiven gehört werden (natürlich sollten Menschen, die übermässig viel Zeit für ihre Perspektive beanspruchen, konstruktiv darauf hingewiesen werden; eine allgemeine Aufforderung zur Zurückhaltung kann jedoch nichts bewirken, wenn keine empowerte Menschen den Raum für ihre Punkte zu nutzen vermögen).

Charaktereigenschaften

Der bisherige gesellschaftliche Deutungsansatz wäre es vermutlich, dass Frauen* und Männer* unterschiedliche grundlegende Charaktereigenschaften hätten. Ein darauf aufbauendes Modell beschreibt Charaktereigenschaften als spektral, wobei Frauen* und Männer* teilweise entgegengesetzte Tendenzen hätten (so kann eine Frau* durchaus auch eher Männern* zugewiesene Charaktereigenschaften haben und umgekehrt). Oftmals werden in der Gesellschaft aber die Extreme gelobt und Menschen positiv bewertet, wenn sie nahe dem geschlechtsspezifischen Extremum sind (und folglich negativ, wenn sie zum anderen Extremum neigen).

Ein erstes Ziel wäre es bei diesem Ansatz, die Menschen mit ihrem Charakter zu akzeptieren. Je nachdem wäre es aber trotzdem das Ziel, dass alle Perspektiven angehört werden. Da beispielsweise introvertierte Menschen ihre Perspektive weniger geschickt vermitteln können, könnten sie durch Empowering besser darin werden, wodurch auch die Selbstsicherheit verstärkt würde. Ebenso sollten die Zuhörenden versuchen, die Perspektive trotz potentiell weniger Wortgewandheit zu verstehen. Dabei muss aber beachtet werden, dass ein Hauptproblem bei Diskussionen Missverständnisse aufgrund der zwangsläufig nötigen Interpretation ist. Folglich sollte genügend Zeit aufgewendet werden, Verständnisfragen zu besprechen. Ausserdem sollten abstrakte Begriffe gemeinsam definiert oder vermieden werden (falls sie zu schwammig sind).

Anwendung

Wie wird nun ein Genderwatch-Protokoll verfasst? Grundlegend ist natürlich die Festhaltung der Redezeit von jeweils weiblich* gelesenen, männlich* gelesenen und sonstigen Menschen. Eine zusätzliche Aufteilung der Menschen in die Kategorie Moderation, Redner*innen (Menschen, die etwas vorstellen und nicht nur eine Wortmeldung äussern) und Basis kann helfen, die Diskussionskultur zu beurteilen: so ist es gut möglich, dass sich die Moderation und Redner*innen im Vorfeld ihre Punkte aufgeteilt haben und deshalb sehr ausgeglichen sind, aus der Basis aber grösstenteils Wortmeldungen von männlich* gelesenen Menschen kommen; dies insbesondere bei Zeitdruck oder genereller Ermüdung.

Die Anzahl der Störungen (Zwischenrufe, Unterbrechungen etc.) kann auch interessant sein, ebenso die Wortwahl (ob beispielweise gendergerechte Sprache verwendet und "gewaltfrei" kommuniziert wird). Dabei sollte jeweils festgehalten werden; dies ebenso aufgeschlüsselt in die unterschiedlichen Kategorien.

Es können auch weitere Unterteilungen vorgenommen werden: beispielweise können die Menschen den Auftrag erhalten, sich selbst auf der Skala Extrovertiert-Introvertiert in die fünf Kategorien [extrovertiert, eher extrovertiert, ambivalent, eher introvertiert, introvertiert] einzuschätzen und diese Einschätzung jeweils kundzutun. Dafür wäre eine Einführung vonnöten, um eine sinnvolle Einschätzung zu ermöglichen. Jede weitere Unterteilung ist aber auch mit Aufwand verbunden.

Der Klimastreik Schweiz hat Zugriff auf ein Onlinetool, mit welchem die Aufzeichnung erleichtert wird. Für den Zugriff kann Raphael kontaktiert werden. Ich empfehle jedoch, die Aufzeichnung von Hand mit einer Stoppuhr durchzuführen, da das Onlinetool gewisse Restriktionen hat und bei der Aufzeichnung jeweils zuerst die Einteilung des sich zu Worte meldenden Menschen vorgenommen werden muss, bevor die Zeitmessung beginnt. Dies ist sehr mühsam bei kürzeren Beiträgen; die Differenz muss manuell länger abgewartet werden, was sich schnell aufsummiert.