AG Lebensorte (Zürich)

Aus Klimastreik Schweiz
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Diese Arbeitsgruppe befasst sich mit Lebensorten jeglicher Art, welche von und mit Menschen der Klimastreikbewegung genutzt werden sollen. Sie ist aktuell insbesondere in Zürich aktiv, aber in vielen anderen Orten existieren ähnliche Visionen.

Kontext

Obwohl seit vielen Jahrzehnten klar ist, dass unser ungebremstes Wirtschaftswachstum zwangsläufig im Kollaps der Ökosysteme enden muss, bewegen wir uns als Gesellschaft nach wie vor in atemberaubender Geschwindigkeit in diese Richtung weiter.

Eine Art «Messindex» dafür stellt das weltweite Klima dar: Unsere Art des Wirtschaftens basiert auf der Ausbeutung fossiler Energieträger. Deren Verbrennung setzt unter anderem CO2 frei, welches als Treibhausgas die Erde bereits um durchschnittlich 1° wärmer werden liess – in der Schweiz beträgt der Temperaturanstieg seit 1850 2° C.

Die Politik steht dieser grössten Bedrohung für die Menschheit bemerkenswert mutlos gegenüber: Kurzfristige Renditen lassen sich immer noch erwirtschaften; ein paar Amtsperioden reichen nicht, um für die verheerenden Folgen der eigenen Politik gerade stehen zu müssen.

Schon jetzt werden die Auswirkungen dieser Politik hauptsächlich von jenen Menschen getragen, die von unserer globalen Marktwirtschaft am meisten ausgebeutet werden, insbesondere im globalen Süden. Doch auch hierzulande verschwinden die Gletscher, Süsswasserreserven werden knapper, Tierarten sterben aus, Felsen verlieren an Stabilität und Extremwetter nehmen zu.

Dankbar für alle Möglichkeiten, die wir durch den materiellen Wohlstands erhalten haben, stellt unsere Generation nüchtern fest: Unser vermeintlicher Reichtum heute geschieht auf Kosten zukünftiger Generationen. Und so richtig glücklich scheint er uns auch nicht zu machen.

Gewiss, unserem Fokus auf materielle Sicherheit und Wohlstand verdanken wir hierzulande gute Lebensbedingungen, in denen niemand hungern muss, sehr wenige Menschen an Krankheiten sterben und es relativ einfach erscheint, sich selbst zu verwirklichen.

Aber die leeren Blicke jener, die jeden Tag der selben, eintönigen Arbeit nachgehen, sind beängstigend. Psychische Krankheiten nehmen stark zu, viele Menschen klagen über die «Sinnlosigkeit» ihrer Existenz. Zwischenmenschlichkeit, Empathie, Achtsamkeit zu Natur und Mitmenschen werden oft dem Leistungsdruck und der Effizienzsteigerung untergeordnet. Menschen vereinsamen, gerade im Alter.

In dieser kurzen Situationsanalyse scheinen Ursache und Wirkung nicht klar von einander trennbar zu sein, und auch bei näherer Betrachtung können sie unmöglich in eine Reihenfolge gebracht werden:  Es ist unsere Art zu wirtschaften, die uns dazu zwingt, uns selbst und unseren Planeten auszubeuten, aber es ist diese Form der Selbstausbeutung mit all ihren Idealen, die dazu führt, dass wir weiterhin so wirtschaften.

Um aus diesem Hamsterrad herauszukommen, reicht es also nicht, sich mit nur einer Seite zu beschäftigen: Es braucht Lebensorte, an denen alle Parameter des Alltags verändert werden können.

In diesem kurzen Dossier möchten wir, also die Arbeitsgruppe Wohnprojekt der Züricher Klimastreik-Bewegung, uns mit ebendiesen Lebensorten beschäftigen und – ohne dabei auf ganz konkrete Objekte einzugehen – ganz grundsätzlich aufzeigen, wie dringlich das Erschaffen solcher Orte wirklich ist.

Natürlich benötigen wir weiterhin Demonstrationen und Streiks auf der Strasse, Podien und ganz viele Gespräche, um in Dialog mit der Gesellschaft zu treten und der breiten, durch Konsumwerbung geprägten Masse aufzuzeigen, in welch misslicher Lage wir uns befinden.

Aber es braucht mindestens so dringen Orte, an welchen ein Leben im Einklang mit den planetaren Belastbarkeitsgrenzen gelebt werden kann: Genügsam im Materiellen, aber umso reicher in sozialen und geistigen Belangen.

Drei Visionen von Lebensraum

Wir Menschen sind vielfältig, unsere Bedürfnisse verschieden. Nachhaltiger Wandel trägt diesem Umstand Rechnung und versucht nicht, zentralistisch eine Projektidee zu propagieren. Wir skizzieren hier drei verschiedene Orte mit unterschiedlichen Chancen und Ansprüchen. Sie sollen schon bald koexistieren können, und gemeinsam Teil eines grossen Netzwerks werden:

Klimadenkort

Ausgangslage

Aktuell halten wir unsere Sitzungen in jeder Stadt ab, in welcher der Klimastreik existiert. Wir arbeiten in unterschiedlichen Lokalen von uns nahestehenden Parteien oder Organisationen.

Dafür sind wir sehr dankbar, und es ermöglicht das Entdecken vieler wunderbarer Orte. Aber das Reservieren und Organisieren dieser Orte benötigt, in Anbetracht der steigenden Anzahl Arbeitsgruppen und mindestens fünf Sitzungen pro Woche, immer mehr Energie.

Wir können keine Essensvorräte anlegen, haben keine Küche vor Ort und kaufen deshalb relativ viel. Wir können kein Lager an Material, oder eine Kontinuität aufbauen– kurz, unsere digitale Abhängigkeit wird durch den fehlenden Ort massiv erhöht.

Wunschlösung

Ein Nutzungsrecht für einen zentral gelegenen Konferenzraum, bei dem wir Sitzungen mit zwanzig bis dreissig Personen abhalten können, Zugang zu Küche und Lagerraum haben und uns mittelfristig einrichten können. Ein Ort, an dem wir Plakatentwürfe und Mind-Maps an die Wände kleben können und möglichst alle Zugang (z.B. durch einen Code) erhalten.

Ein Denk- und Austauschort im Stadtzentrum.

Konkrete Ideen

Nutzung von ausgedienten Büros als Zwischenlösung, Eingliederung in Kirchgemeindehäuser, Bürokomplex der SBB am Hauptbahnhof Zürich, …

Klimawohnort in der Stadt

Ausgangslage

Für viele engagierte Menschen nimmt die Organisation der Klimastreik-Bewegung unglaublich viel Zeit in Anspruch. Obwohl viele ihre Hobbys aufgegeben haben und Studium und Schule auf ein absolutes Minimum reduzieren, bleibt sehr wenig Zeit für die Finanzierung des eigenen Lebensunterhalts. Einige Klimastreiker*innen sind nach diesen wenigen Monaten des Klimastreiks kurz davor, in eine finanzielle Schieflage zu geraten. Aber auch die Achtsamkeit leidet darunter: Solange jede*r für sich selbst kocht, ist auch das ziemlich teuer und zeitaufwendig, kalte Mahlzeiten sind für viele Alltag. Unsere individualisierte, schnelllebige Gesellschaft führt für viele Klimastreikende dazu, dass sie an ihrem Aktivismus auszubrennen drohen.

Wunschlösung

Ein Nutzungsrecht für ein Haus oder eine grosse Wohnung in der Stadt, wo einige der Klimastreikenden gemeinsam zu fairen Konditionen wohnen könnten: Durch den gemeinsamen Haushalt kann viel unnötiger Konsum vermieden werden, gemeinsam kann nachhaltig und regional Nahrung eingekauft werden. Durch die Arbeitsteilung mit gleichgesinnten Menschen wird es möglich sein, trotz dem zeitlich intensiven Engagement im Klimastreik ein Leben zu führen, welches auf längerfristige Sicht nicht zum Kollaps führt. Und trotzdem wäre es ein Wohnen unter Menschen mitten in unserer kränkelnden Gesellschaft und dadurch zwangsläufig mit Kompromissen verbunden. Ein solches Nutzungsrecht wäre für uns aber nicht als Privileg, sondern als Verpflichtung zu sehen: Wir kümmern uns um Erhalt und Unterhalt der Liegenschaft, tragen Sorge zum Ort, welcher uns beherbergt, dafür dürften wir darin wohnen. Ein solcher Ort wäre selbstverständlich auch ein Ort der Nicht-Kommerziellen Gastfreundschaft für Gäste aller Art. Gelebte Solidarität, gelebte Menschlichkeit, viel zwischenmenschlicher Austausch. Vertrauen in Mitmenschen und ihr Fähigkeiten. Zutrauen.

Konkrete Ideen

Mieten eines Hauses auf dem normalen Markt, nicht mehr genutzte Pfarreihäuser, Häuser zur Zwischennutzung, …

Klimalebensort

Ausgangslage

Einige Klimastreikende haben die Dringlichkeit des Anliegens erkannt und ihre Prioritäten radikal neu gesetzt: Das Studium abgebrochen oder den Beruf aufgegeben, um sich wirklich dem Klimastreik zu widmen. Nebst finanziellen Sorgen besteht auch hier die akute Gefahr der Überbelastung, weil es nicht möglich ist, in dieser maximal individualisierten Gesellschaft derart viel Freiwilligenarbeit zu leisten. Wer noch bei seinen Eltern wohnt, der kommt oft nach Mitternacht nach Hause, bereits ausgezogene Aktivist*innen verbringen viel Zeit in Kaffees, Sitzungszimmer oder Zügen und ernähren sich von mässig nachhaltigem Essen, weil es fast nicht möglich ist, bei dieser Arbeitsbelastung noch genügend Zeit für den Alltag zu finden.

Andere werden diesen Sommer mit dem Gymnasium oder der Ausbildung fertig und es stellt sich die Frage, wie es im Leben weitergehen soll, wie sehr es sich lohnt, sich in das System dieser Gesellschaft einzulassen.

Aktuell bleibt solchen Menschen fast nur die Entscheidung zwischen dem radikalen Leben in konsequenten selbstversorgerischen, aber meist sehr abgelegenen Ökodörfern, oder dem Ignorieren dieser Bedürfnisse und der Anpassung an das System. Während ersteres oft mit dem Verlust eines engagierten Menschen für den politischen Wandel einhergeht, birgt letzteres die grosse Gefahr, dass viele Individuen  an der Arbeitsbelastung und der psychischen Belastung zerbrechen.

Wunschlösung

Nutzungsrecht für einen Ort, der für etwa 10 bis vielleicht 200 Menschen ein zu Hause sein kann: Ausgelegt auf gemeinsames, gesellschaftliches Wohnen, mit der Möglichkeit, sich aktiv in diverse Projekte einzugeben, die sowohl den Klimastreik, als auch das eigene Wohnen betreffen.

Ein solcher Ort soll es allen Bewohner*innen erlauben, sich geistig und handwerklich weiterzubilden, um möglichst autonom und mit naturnaher Landwirtschaft genügsam leben zu können. Eingegliedert in ein intaktes Ökosystem, daher wohl eher am Stadtrand oder leicht abgelegen, aber doch zwingend mit einer guten Anbindung an den öffentlichen Verkehr.

Ein solcher Ort muss den Austausch mit der Umwelt suchen: Es wird Bewohner*innen geben, welche teilweise ausserhalb einem Beruf nachgehen oder ein (Teilzeit-)Studium absolvieren. Ausserdem müssen Konzerte und Podien, Filmabende und Gesprächsrunden allen Interessierten offen stehen, denn ein solcher Ort braucht den intensiven Austausch. Deswegen ist Gastfreundschaft äusserst zentral, und jeder engagierte Mensch, der eine Auszeit aus der Gesellschaft braucht, wäre bei uns herzlich willkommen.

Ein solcher Ort kann nur dann existieren, wenn ganz verschiedene Menschen ganz verschiedene Fähigkeiten mitbringen: Es erscheint uns deshalb zentral, dass junge Menschen von älteren lernen können – und umgekehrt: Generationenübergreifendes Zusammenleben. Der Aufbau eines Gefühls wirklicher Gemeinschaft, eines Orts des Austauschs und des Lernens. Spannend wäre hier auch der Aufbau eines Seminars oder einer Schule, wo erworbenes Wissen weitergegeben werden kann.

Das gemeinsame Zusammenleben vieler engagierter Menschen würde es auch ermöglichen, die anhin eher schwierige Kommunikation über digitale Medien zu reduzieren und Dinge gemeinsam – vor Ort – zu entwickeln. Beispielsweise wäre es so viel leichter, eine Art «Klimastreik-Filmserie» zu lancieren, und man könnte ein fixes Studio für die Klimaarena einrichten.

Konkrete Ideen

Neunutzung bestehender Fabrik-Areale mit Renaturierung, Weiterführen von Klostern und ihren landwirtschaftlichen Betrieben, Eingliederung in bestehende Gemeinschafts-Wohnprojekte, …